München.
Der Bayerische Landes-Caritasdirektor Prälat Karl-Heinz Zerrle feiert am
Donnerstag, 8. Juli 2004 seinen 60. Geburtstag.
Nach
seiner Priesterweihe 1970 im Augsburger Dom war er zunächst als Seelsorger in
Augsburg und Ichenhausen tätig und wurde 1975 zum Militärpfarrer in Neuburg an
der Donau ernannt. 1981 trat er seinen Dienst beim Caritasverband der Diözese
Augsburg an. 1990 wurde er Diözesan-Caritasdirektor in Augsburg. Zerrle gründete
Caritas-Kreisverbände, um den Verband zu dezentralisieren. Er förderte den
weiteren Ausbau der Suchtberatungsstellen und der Sozialpsychiatrischen
Dienste. Die stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Altenhilfe
wurden in einer gemeinnützigen gGmbH zusammengefasst.
Seit dem
1. Januar 2000 ist Prälat Zerrle bayerischer Landes-Caritasdirektor. Aufgabe
des Landes-Caritasverbands ist die Koordination und Vertretung der
Caritas-Einrichtungen auf Landesebene. In der Caritas in Bayern sind rund 6.200
soziale Einrichtungen und Projekte zusammengeschlossen. Dazu gehören
Kindergärten, Beratungsstellen, Altenheime, Behinderteneinrichtungen und
Krankenhäuser. Rund 88.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hauptberuflich
beschäftigt, davon 40 Prozent in Teilzeit. Etwa 1,8 Millionen Menschen haben
jährlich Kontakt zu einer Caritas-Einrichtung in Bayern.
Immer wieder hat sich Prälat Zerrle in den
letzten Jahren mit klaren Stellungnahmen zur sozialpolitischen Entwicklung in
Bayern zu Wort gemeldet: „Wir sehen natürlich auch, dass im Augenblick gespart
werden muss und dass auch der Sozialstaat nur beschränkte Ressourcen hat. Aber
von einem Jahr auf das andere zehn Prozent bei den Sozialleistungen zu
streichen, ist für uns nicht vertretbar.“ Es sei nicht in Ordnung, wenn der
Staat die Hilfe für die Schwächsten in der Gesellschaft kürze.
Kritik am
Abbau des Sozialstaates
In der
aktuellen Debatte um den Umbau des Sozialstaates werde der Eindruck erweckt,
als sei der Sozialbereich ein Fass ohne Boden, in das unnütz Geld
hineingesteckt wird, das dann völlig verschwinde. Abgesehen davon, dass jede
Gesellschaft sich auch um ihre schwachen Mitglieder kümmern und ihnen ein
menschenwürdiges Leben ermöglichen muss, ohne sofort nach den Kosten zu fragen,
sei auch der Eindruck falsch. Der Sozialbereich ist ein eigenständiger
Wirtschaftssektor mit einem riesigen Ausgaben-, Nachfrage- und
Beschäftigungseffekt auf den näheren und umliegenden Wirtschaftsraum.
Die
Caritas sei offen für neue Strukturen und Konzepte: „Sie hat deshalb in den
vergangenen Jahren ihre Ziele und Aufgaben, die Struktur, Organisation und
Qualität ihrer Einrichtungen für die geänderten gesellschaftlichen, politischen
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen tauglich gemacht. Dieser Modernisierungsprozess
wird permanent weitergeführt. Allerdings ist zu beachten, dass eine qualitativ
hochwertige Sozialarbeit, Therapie und Pflege auf Dauer nur geleistet werden
kann, wenn die von der Politik in Bund, im Land und im Kommunalbereich
verantworteten finanziellen Rahmenbedingungen dies auch ermöglichen. Ein
nachhaltiger Umbau des Sozialstaates muss berücksichtigen, dass Leistungen des
Sozialstaates nicht nach Finanzlage der öffentlichen Haushalte disponibel sein
können.“
Das
Unterscheidungsmerkmal der Caritas von anderen Anbietern sozialer Dienste sei
das christliche Menschenbild und das daraus folgende Handeln. Zerrle: „Die
Würde des Menschen ist ihm nicht von anderen verliehen oder zugebilligt,
sondern besteht darin, dass er Geschöpf Gottes ist. Dies ist sein Ursprung und
sein Ziel. Deshalb müssen Staat. Gesellschaft und Kirche ein menschenwürdiges
Leben für alle ermöglichen.“
Caritas in
den Pfarrgemeinden verankern
Wichtig
ist dem Landes-Caritasdirektor, die Caritas in der Kirche und den
Pfarrgemeinden noch stärker zu verankern: „Manchmal scheint es, dass die
Caritas noch etwas in den Hinterbänken der Kirche zu finden ist, ich meine, sie
muss in der Kirche in die vorderen Reihen gerückt werden. Der Dienst der
Caritas, der Dienst am Menschen ist Heilsdienst der Kirche“, sagte Zerrle.
Recht auf
ein menschenwürdiges Leben
Grundwerte
und ethische Fragen seien verstärkt zu fördern, „die Solidarität mit den Armen
ebenso wie das Recht auf ein menschenwürdiges Leben.“ Sorgen machen ihm
politische und gesellschaftliche Tendenzen, die das
unter dem Deckmantel der Humanität eine Selbstbestimmung der
Menschen forderten, die auch das Recht auf Selbsttötung beziehungsweise, wenn
diese wegen ihrer gesundheitlichen Situation nicht mehr möglich ist, auch die
Tötung durch andere Menschen einschließe: „Wir Christen müssen immer wieder
betonen: Unser Leben ist eine Gabe Gottes. Es ist deshalb der Verfügung durch
andere Menschen entzogen.
Es erschüttert
mich, dass nun auch gerade wieder in Deutschland Stimmen laut werden, die die
aktive Tötung von Menschen am Ende des Lebens legalisieren wollen. Diesen
Versuchen muss man entgegentreten. Sie sind eines sozialen Rechtsstaates
unwürdig“, sagte der Landes-Caritasdirektor.
Kritisch äußerte sich Zerrle auch zu Fragen der so
genannten Lebenswissenschaften: „Die e
ntscheidende ethische
Herausforderung ist die Frage, ob die möglichen medizinischen Fortschritte auch
dann gemacht werden dürfen, wenn dazu menschliches Leben getötet werden muss.
Bei der embryonalen Stammzellenforschung geht es nicht um die Tötung von Zellen,
sondern um die Tötung von Menschen." Die Caritas könne der Tötung
menschlichen Lebens niemals zustimmen, auch wenn sich daraus Heilungschancen
für andere Menschen ergäben. Die Freiheit der Forschung und Wissenschaft habe
dort ihre Grenze, wo sie in Konflikt gerate mit der unantastbaren Würde des
Menschen, seinem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Genau diese
Grenze werde bei der embryonalen Stammzellenforschung überschritten. Zum selben
Ergebnis führe auch die ethische Bewertung der Präimplantationsdiagnostik und
des Therapeutischen Klonens. Auch die weithin praktizierte Pränatal-Diagnostik
werde zunehmend ethisch fragwürdig, weil sie bei Feststellung einer Behinderung
des ungeborenes Kindes nahezu immer zur Abtreibung führe.
Die
Caritas, sagt Zerrle, werde ihren Blick „auch künftig auf den Ausgangspunkt
ihres Dienstes lenken, auf Jesus Christus: Ihn nachahmen in seiner Sorge für
die Menschen, denen er das Reich Gottes verkündete und die er an Leib und Seele
heilte.“