Gudrun Brendel-Fischer, was ist Heimat?
Was bedeutet Heimat für Sie?
Es ist wichtig, eine Heimat zu haben. Heimat ist da, wo man sich in der Gemeinschaft angenommen und wohl fühlt. Deswegen ist Heimat für mich kein konkreter Ort, sondern eher ein Gefühl: sich geborgen und verbunden mit anderen fühlen. Der Begriff "Heimat" hat für mich nichts Trennendes, sondern Verbindendes.
Wenn man seine Heimat verlassen musste, kann man auch anderswo eine zweite Heimat finden. Genau das ist der Kern von Integration. Integriert sein bedeutet wirklich angekommen sein und sich in zwei Sprachen und Kulturen zu Hause fühlen.
Gerade deswegen sind schon länger hier lebende Migranten so eminent wichtig für das Thema "Integration" insgesamt. Viele, die vielleicht in zweiter oder dritter Generation hier leben und für die Deutschland zur Heimat geworden ist, können dies sicherlich bestätigen: Die Rolle, die Migrantinnen und Migranten selbst für den Integrationsprozess einnehmen, ist von ganz entscheidender Bedeutung. Denn Menschen, die mit beiden Sprachen und beiden Kulturen gut vertraut sind, sind oft die besten "Brückenbauer", die man sich wünschen kann. Sie haben Verständnis für unterschiedliche Mentalitäten und sind kompetente Multiplikatoren.
Wo sehen Sie Zusammenhänge zwischen Migration und Entwicklungspolitik?
In einem Land des Stillstands, in dem man für sich keine auskömmliche wirtschaftliche Perspektive sieht oder in dem man sich einem politischen Regime der Unfreiheit oder gar kriegerischer Auseinandersetzungen ausgesetzt sieht, wird Flucht zum Dauerthema. Entwicklungspolitische Ansätze können bei letztgenanntem Szenario kaum greifen. Ansonsten gilt: Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, das ist meiner Ansicht nach das, was am meisten Sinn macht.
Wie erleben Sie den aktuellen Diskurs über Migranten/innen und Geflüchtete in Deutschland?
Je mehr Menschen die Gelegenheit zur Begegnung haben, desto positiver ist ihre Haltung gegenüber Migranten. Deswegen sind die niedrigschwelligen, fast schon automatischen Kontaktmöglichkeiten auch so wichtig. Ich denke da nicht nur an die Schulen, sondern insbesondere auch an die Kindergärten und Mütter- und Familienzentren. Hier wird Integration auf eine Art und Weise gelebt, wie sie besser nicht sein könnte. Denn: Erfolgsversprechende Integrationswege sind oft die, die bei den Müttern ansetzen. Sie spielen eine Schlüsselrolle im Integrationsprozess, sie sind ein regelrechter Integrationsmotor. Deshalb müssen wir sie noch mehr stärken und ihre Strahlkraft, mit der sie in ihre Umgebung hinein wirken, als wichtiges Integrationspotential noch mehr nutzen. Wer Mütter stärkt, stärkt auch die Kinder. Intensive Elternarbeit — sei es im Kleinkind-, Vorschul- oder Schulalter — ist die Tür für vieles weitere.
Wie wirkt sich der aktuelle mediale Diskurs - ob in Printmedien oder online via Social Media - Ihrer Meinung nach auf Migranten/innen und Geflüchtete aus?
Der mediale Blick ist sehr stark auf Asylbewerber und Geflüchtete gerichtet. Der große Zustrom von Flüchtlingen und Asylsuchenden insbesondere 2015 und 2016 bedurfte einer besonderen Aufmerksamkeit, einer besonderen Reaktion und einer besonderen Bündelung der Kräfte. Inzwischen sind wir auf einem Weg, der uns positiv stimmen kann: In Bayern ist sowohl die Aufnahme von Geflüchteten als auch die Integration besser gelungen als anderswo — sei es sprachlich, schulisch oder auf dem Arbeitsmarkt. Wir sollten aber neben den Neuzugewanderten auch die Menschen im Blick zu haben, die schon länger hier leben, oft über Generationen hinweg. Gerade gut integrierte Migrantinnen und Migranten sind, wie gesagt, die besten Botschafter, die man sich vorstellen kann. Sie sind oft die besten Brückenbauer zwischen den Kulturen. Außerdem ist es wichtig, dass wir uns verstärkt um unsere europäischen Nachbarn kümmern, die hier leben und arbeiten. Sie sind eine wichtige Zielgruppe für mich als Integrationsbeauftragte.
Was könnte im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit getan werden, damit Menschen nicht gezwungen sind, ihr Herkunftsland zu verlassen
Bildung und Innovation ist der Schlüssel zu allem. Also: Schul- und Ausbildungsprojekte fördern, Gründer und Startups durch Qualifizierung und Aufbauhilfen unterstützen und Firmenniederlassungen fördern, die Arbeitsplätze entstehen lassen, die fair bezahlt werden.