Mit einer Predigt zur KI hat Prälat Bernhard Piendl für Aufsehen gesorgt. Im Folgenden lesen Sie die ganze Predigt.
Liebe Schwestern und Brüder,
es gibt seit langem in der öffentlichen Debatte einen Begriff, der wie kaum ein anderer sehr unterschiedliche Reaktionen auslöst. Es ist der Begriff "künstliche Intelligenz", abgekürzt KI. Er ist geradezu zum Sinnbild des Fortschritts geworden.
Viele verbinden damit große Erwartungen. Die künstliche Intelligenz könnte Dimensionen erschließen, die uns bisher unerreichbar sind. Sie könnte Möglichkeiten eröffnen, von denen wir bislang nur träumen konnten.
Andere wiederum sind wesentlich skeptischer. Der Gedanke löst Sorge und Ängste aus. Was ist, wenn sich die KI immer mehr verselbständigt und der Mensch die Kontrolle über sie verliert? Was ist, wenn der Mensch nicht mehr Schritt halten kann mit ihrer Entwicklung und ihr hilflos ausgeliefert ist? Wird das zu einer gefährlichen Wirklichkeit, was schon ein Goethe seinen Zauberlehrling sagen ließ: die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht wieder los?
Daneben gibt es aber auch eine gewisse Ratlosigkeit. Im Grund wissen wir viel zu wenig über die KI. Was kann sie und was kann sie nicht? Wie funktioniert sie, nach welchen Regeln arbeitet sie?
Ich gehöre zu denen, die nicht allzu viel davon verstehen. Immer wieder höre ich, dass über die künstliche Intelligenz eigenständige Texte erstellt werden können. Man muss nur ein Thema, eine Fragestellung oder ein Stichwort eingeben und schon wird dazu ein Aufsatz oder eine Abhandlung geliefert.
Das hat mein Interesse geweckt: kann die KI auch eine Predigt erstellen? Diese Frage hat mich nicht mehr losgelassen. Und dann habe ich es ausprobiert!
Über ein KI-Programm habe ich folgende Aufgabe gestellt: Schreibe eine Predigt über den Satz: "Der Vater wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, den Geist der Wahrheit." Dieser Text ist ein zentraler Satz aus dem heutigen Sonntagsevangelium.
Und dann saß ich also voller Spannung und Erwartung vor meinem Computer. Das Ergebnis war verblüffend: innerhalb von Sekunden hatte ich eine vollständig ausgefertigte Predigt vor mir. Und so darf ich heute einmal nicht einen Apostel Paulus oder einen Papst Franziskus zitieren, sondern die künstliche Intelligenz. Diese schreibt:
"Liebe Gemeinde.
Heute beschäftigen wir uns mit einem Vers aus dem Johannesevangelium, in dem Jesus seinen Jüngern verspricht, dass er den Vater bitten wird, um einen anderen Beistand zu senden, den Geist der Wahrheit. … Dies zeigt, dass Jesus die Bedeutung der Gemeinschaft erkannt hat und dass er weiß, dass seine Jünger eine Art Unterstützung brauchen, um in ihrer Glaubensreise voranzukommen. … Der Beistand, von dem Jesus spricht, ist der Heilige Geist. … Er ist eine göttliche Kraft, die in jedem von uns wohnt und uns dabei hilft, die Wahrheit zu erkennen und auf Gottes Wegen zu wandeln. … Wenn wir uns an den Heiligen Geist wenden, gibt er uns auch die Kraft und den Mut, um den Herausforderungen des Lebens zu begegnen. Er gibt uns die nötige Stärke und Ausdauer, um die Schwierigkeiten des Lebens zu überwinden und uns auf den Weg der Wahrheit und des Lichts zu bringen. … "
Soweit also einige Auszüge aus der Predigt der künstlichen Intelligenz.
Es ist faszinierend, wozu die KI imstande ist. Was da über Jesus, über den Heiligen Geist, über unser Angewiesensein auf ihn gesagt wird, ist nicht von der Hand zu weisen.
Nun wissen wir natürlich, dass die künstliche Intelligenz all diese Gedanken nicht selber entwickelt hat. Es sind Gedanken, die irgendwann irgendwer ins Internet gestellt hat. Die KI verfügt über die Fähigkeit, das weltweite Netz danach abzugreifen, die Gedanken in eine logische Abfolge zu bringen und in einen flüssigen und gut lesbaren Text zu gießen. Das ist faszinierend, vielleicht auch beängstigend.
Die Künstliche Intelligenz bietet also großartige Möglichkeiten, sie hat aber auch ihre Grenzen. Das zeigen die Auszüge aus ihrer Predigt. Sie sind inhaltlich gut, aber sie bleibt auch kühl, nüchtern und unpersönlich. Sie sind richtig, aber sie treffen nicht das Herz. Der Mensch braucht aber mehr. Er braucht die Beziehung, er braucht die Liebe.
Ein kleines Beispiel mag dies verdeutlichen: Sie können die Künstliche Intelligenz nutzen für eine Liebeserklärung an Ihren Mann oder Ihre Frau, Ihre Freundin oder Ihren Freund, Ihre Eltern oder Ihre Kinder. Sie KI wird Ihnen vermutlich tolle Ergebnisse liefern - aber eben nur eine Liebeserklärung, nicht die Liebe selbst. Darauf kommt es aber an.
Dieses kleine Beispiel hilft uns, den Kern des heutigen Sonntagsevangeliums besser zu verstehen und nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen zu ergreifen. Es geht nicht nur darum, den heiligen Geist rational zu erklären. Es geht um den Geist, der eine lebendige und gelebte Beziehung zwischen Gott und den Menschen, zwischen Jesus und uns und untereinander eröffnet. "Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch" sagt der Herr im heutigen Evangelium.
Diese Gemeinschaft, diese Beziehung dürfen wir erfahren, wenn wir beten, wenn wir gut, liebevoll und verantwortungsvoll miteinander umgehen oder wenn wir unseren Glauben so wie jetzt in der Eucharistie feiern. Das ist mehr als das, was die Künstliche Intelligenz leisten kann.
Bernhard Piendl