Regensburg.
Auf die Bedeutung der gemeinsamen religiösen Grundlagen von Judentum,
Christentum und Islam für die Begleitung von kranken und sterbenden Menschen
hat der bayerische Landes-
Caritasdirektor
Prälat
Karl-Heinz Zerrle (München) hingewiesen. Bei einer Fachtagung am 27. Mai 2011
in Regensburg für 120
haupt
- und ehrenamtliche
Mitarbeiter in den Hospiz-und Palliativeinrichtungen in Bayern sagte er, in
allen drei Religionen stehe die Würde des Menschen „bis zum letzten Atemzug“
unverrückbar im Vordergrund. Menschliches Leben besitze deshalb Heiligkeit und
habe einen absoluten, unantastbaren Wert. Diese Würde gründe in der Schöpfung
des Menschen als Ebenbild Gottes. In allen drei Religionen sei die aktive
Sterbehilfe verboten. Prälat Zerrle zitierte ein Wort aus dem Koran: „Wir
gehören Gott, und zu Ihm kehren wir zurück“. Darin seien sich die drei
Religionen einig. Die Folge daraus sei, dass kranke und sterbende Menschen mit
besonderer Liebe umsorgt werden müssten, wie es in der Hospiz-und
Palliativbewegung geschehe.
Dinah
Zenker von der Israelitischen Kultusgemeinde in München nannte als jüdische
Gebote für den Umgang mit den Kranken die Verpflichtung zum Krankenbesuch, das
Gebet für die Kranken, die Pflicht, dem Kranken Hoffnung zu geben und die
Begleitung der Sterbenden. Der Sterbende habe das Recht auf Nahrung,
Flüssigkeit, Sauerstoff und Linderung von Schmerz. Der Mensch sei nach
jüdischem Glauben nicht der Besitzer seines Körpers, sondern nur sein Hüter. Er
sei verpflichtet, nach Heilung zu suchen. Gönül
Yerli
vom Islamischen Forum Penzberg sagte, wer die Kranken besuche, der besuche nach
Auffassung des Islam indirekt auch Gott. In einem Ausspruch des Propheten heiße
es: „Gott, der Hohe und Erhabene, wird am Tage der Auferstehung sagen: O Kind
Adams, ich bin krank gewesen, und du hast mich nicht besucht.“ Zu den Pflichten
eines Muslims gegenüber seinem Glaubensbruder gehören der Besuch am Krankenbett
und die Teilnahme am Begräbniszeremoniell. Krankheit werde im Islam auch als
eine Gabe und Gnade Gottes gedeutet, wo der Muslim höhere geistige Grade
erreichen könne. Der Tod sei nicht das Ende des Menschen, sondern ein neuer
Anfang. Im Tod sei ein neues Leben enthalten.
Professorin
Maria
Wasner
von der Katholischen
Stiftungsfachhochschule München sagte, auch nicht religiöse Menschen hätten
spirituelle Bedürfnisse, die in der Medizin und Pflege sensibel wahrzunehmen
und zu beachten seien. Die Suche nach einer umfassenden Sicht des eigenen
Lebens, nach dem Sinn von Krankheit und Tod werde in belastenden und schweren
Lebenssituationen und vor allem im Angesicht des Todes besonders drängend.
„Spiritual Care“, die spirituelle Begleitung von schwer kranken und sterbenden
Menschen könne hier versuchen, gemeinsam mit dem Patienten Antworten zu suchen.
Diese spirituelle Begleitung dürfe aber keine vorgefertigten Antworten geben,
sondern müsse vom Patienten, seiner Lebensgeschichte und seinen Wünschen
ausgehen.
Professor
Traugott Roser vom Münchner Klinikum Großhadern betonte den Aspekt der Freiheit
in der Palliativmedizin und
Hospizbewegung
: „Der
Aspekt der Freiheit ist zentral. Er schützt gegenüber Ansprüchen von
Weltanschauungen und Religionsgemeinschaften, nicht zuletzt in medizinethischen
Konflikten. Spiritual Care versucht, dem Individuum zu helfen, sich von seiner
Lebens- und Glaubensgeschichte, von den eigenen Werten und in Verantwortung
gegenüber anderen für eine Option zu entscheiden.“ Das Sterbebett sei kein Ort
für die Mission. Es gehe einfach um spirituelle Nähe, die in der
Lebensgeschichte des schwerkranken und sterbenden Menschen verankert sein
müsse.