München. Die soziale
Gerechtigkeit darf in der Großen Koalition nicht vernachlässigt werden. Das hat
der Landes-Caritasverband angemahnt. Die Wählerinnen und Wähler hätten gespürt,
dass Deutschland in den letzten Jahren auf dem Weg zu einer staatlich inszenierten
Entsolidarisierung sei, sagte Landes-Caritasdirektor Prälat Karl-Heinz Zerrle
in München. Die Menschen wollten einen solidarischen Staat und eine
solidarische Gemeinschaft. Sie seien auch bereit, Opfer zu bringen, das hätten
viele Umfragen gezeigt. Sie seien aber nicht bereit hinzunehmen, dass der
notwendige Umbau des Sozialstaates vor allem die Menschen treffe, die ohnehin
auf der Schattenseite stehen: die Arbeitslosen und Kranken, die Behinderten und
kinderreichen Familien, die Pflegebedürftigen und die Menschen am unteren Rand
der Lohnskala. Die Menschen hätten auch verstanden, dass die bisherigen
Reformen die Arbeitslosigkeit nicht reduziert und die sozialen
Sicherungssysteme nicht entlastet haben. Zerrle: „
Der Sozialstaat darf nicht weiter zu Lasten und auf Kosten der
Arbeitslosen, Kranken und sozial Schwachen umgestaltet werden. Konzepte, die
dies vorschlagen, lösen die sozialen Probleme nicht nachhaltig, sondern führen
zu weiteren sozialen Verwerfungen für die Menschen. Sie sind auch ökonomisch
fragwürdig, weil sie die Kaufkraft der Bevölkerung schwächen. Mit Sozialabbau
allein kann man weder den Sozialstaat sichern noch die Wirtschaft ankurbeln.“
Der Sozialstaat nütze allen
und brauche deshalb alle. Er sei eine Investition in die Stabilität der
gesamten Gesellschaft. Am notwendigen Umbau des Sozialstaates müssten folglich
alle gesellschaftlichen Gruppen nach ihrer
finanziellen Leistungsfähigkeit
durch Beiträge und Steuern beteiligt
werden. Starke Schultern könnten und müssten mehr tragen als schwache.
Neue Sicht des Sozialbereichs
Der Landes-Caritasdirektor
sagte, man müsse den Sozialstaat als Investition betrachten, die für den Staat,
die Gesellschaft und die Wirtschaft eine unverzichtbare Rendite erbringe: „Der
Sozialstaat ist auch ein Wirtschaftsmotor und ein Garant des sozialen Friedens,
damit also auch ein Standortvorteil für die deutsche Wirtschaft.“
Der Sozialbereich sei auch ein riesiger Wirtschaftssektor. Er biete vielen Menschen einen Arbeitsplatz. Ein sehr großer Teil des Geldes, das vom Staat in den Sozialbereich investiert werde, fließe unmittelbar wieder in den Wirtschaftskreislauf zurück, sei es als Sozialabgaben, Steuern oder Aufträge an Unternehmen.