Update BTHG - März 2021
Nachdem die Arbeit an der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe und der Umsetzung des BTHG aufgrund der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr weitgehend ruhte, wurde die Weiterarbeit an der Umsetzung des BTHG in den letzten Monaten wieder verstärkt in den Fokus genommen. Im Folgenden möchten wir Ihnen einen Aus- und Überblick über den aktuellen Planungs- und Entwicklungsstand in den einzelnen Themenbereichen geben.
Folgende Themen finden sich in diesem Update
- Mittagessen in WfbM
- LAG Werkstatträte
- Sachstand Pilotphase vor Einführung des Bayerischen Bedarfsermittlungsinstruments (BIBay)
- Weiterentwicklung Rahmenvertrag Interdisziplinäre Frühförderung
- Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)
- Bayerisches Teilhabegesetz - Teil II (BayTHG II)
- Weiterarbeit am Landesrahmenvertrag
- Neue Fachleistung/Leistungssystematik
Mittagessen in WfbM
Aufgrund der Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung zum 01.01.2021 und der damit verbundenen Erhöhung der Sachbezugswerte für Mittagessen von 3,40 € / Mittagessen auf 3,47 € / Mittagessen haben die Teilnehmenden der AG Verhandlungen vom 20. November 2020 eine entsprechende Anpassung der Übergangsvereinbarung zur Trennung der Leistungen in teilstationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderung in Bayern in der Fassung vom 24. Oktober 2019 vorgenommen. Hier finden Sie die die Übergangsvereinbarung zur Trennung der Leistungen in teilstationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderung in Bayern sowie eine zugehörige Protokollnotiz.
LAG Werkstatträte
Am 21. Oktober 2020 fand die Gründungsversammlung der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte Bayern e.V. statt. Auf der Gründungsversammlung wurde die Satzung unterzeichnet und es fanden die Wahlen für die vorgesehenen Ämter und Positionen statt. Zur Vorsitzenden der LAG WR wurde Frau Elisabeth Kienel von der Pfennigparade WKM GmbH gewählt. Die Website zur LAG Werkstatträte Bayern ist zu erreichen unter: https://lag-wr-bayern.de/
Auf Grundlage eines Beschlusses der Bundesregierung vom 18.06.2020 wird die Finanzierung von Werkstatträte Deutschland e.V. (WRD) künftig direkt über die Träger der Eingliederungshilfe geregelt.
Durch den Beschluss der Bundesregierung entfällt der Beschluss der Landesentgeltkommission zur "Finanzierung der Interessensvertretung der Werkstatträte auf Bundesebene" ab dem Jahr 2021. Das heißt, im Entgelt der Werkstätten wird der Betrag zur Finanzierung von WRD (1,60 Euro pro Jahr und Beschäftigten) nicht mehr enthalten sein.
Der Kostenanteil der Finanzierung von WRD ist in der Regel im Kostensatz eingepreist. Aufgrund des geringen Betrags schlugen die Bezirke in der AG Verhandlungen vor, die erforderliche Entgeltkorrektur erst im Rahmen der nächsten turnusgemäß zu schließenden Vergütungsvereinbarung umzusetzen. Mit Ablauf der jeweiligen Vergütungsvereinbarung wird diese Position dann aus der Vergütungsvereinbarung genommen.
Sachstand Pilotphase vor Einführung des Bayerischen Bedarfsermittlungsinstruments (BIBay)
Die für November 2020 geplanten Fortbildungen für die Teilnehmenden an der Pilotphase konnten leider nicht durchgeführt werden. Anstelle der vorgesehenen Präsenzveranstaltungen in den fünf Projektregionen wurden kurzfristig Videoschulungen konzipiert, mit deren Umsetzung im Dezember begonnen wurde. Zwischenzeitlich konnten ca. 60 Personen in Kleingruppen in die ICF sowie die Instrumente des BIBay eingeführt werden. Verlauf und Erfahrungen aus den Schulungen werden derzeit evaluiert.
Von den drei geplanten Fortbildungen für Ärzt*innen konnte nur mehr eine im Oktober 2020 durchgeführt werden. Die weiteren Veranstaltungen konnten aufgrund der dann geltenden Infektionsschutzmaßnahmen nicht stattfinden. Eine Anpassung des Schulungskonzeptes war nicht möglich. Die bisherigen Erfahrungen in der Pilotphase unterstreichen aber die Bedeutung der medizinischen Stellungnahme als Teil des BIBay bzw. der Körperfunktionen und Strukturen, als Teil des Bio-psycho-sozialen-Modells der ICF.
Als nächster Schritt der Pilotphase ist die Durchführung von beobachteten Interviews durch die geschulten Teilnehmer*innen vorgesehen. Aufgrund bestehender Einschränkungen ist diese praktische Erprobung der Instrumente mit Personen mit Unterstützungsbedarf derzeit nicht möglich. Wie dieser wesentliche Baustein in der aktuellen Situation umgesetzt werden kann, wird in der nächsten Sitzung der AG §99 Anfang März diskutiert. Hier werden auch Ziele und Meilensteine der Pilotphase angepasst, der ursprünglich vorgesehene Projektzeitraum (03.2020 bis 03.2021) wird verlängert. Es ist auch zu klären, ob der bisherige Termin zur flächendeckenden Einführung des BIBay zum 01.07.2022 noch realistisch ist.
In der nächsten Sitzung der AG §99 wird voraussichtlich eine weitere Unterarbeitsgruppe "UAG Berichtswesen" beauftragt werden, das bisherige Berichtswesen in Form der Hilfeplan- und Entwicklungsbögen (HEB-Bögen) an die Strukturen sowie die Systematik des BIBay anzupassen. Es gilt einen klar definierten Auftrag für die UAG festzulegen, der Sinn und Zweck weiterer Formulare benennt. Dies ist wichtig, da Entwicklungsberichte die Wirksamkeitskontrolle tangieren.
Parallel zur praktischen Erprobung der Instrumente in der Pilotphase arbeitet man an digitalen Schulungsmodulen für Mitarbeitende in Einrichtungen und bei Leistungsträgern sowie an (digitalen) Informationen und Seminaren zum BIBay für Personen mit Unterstützungsbedarf, Sorgeberichtigte, und gesetzliche Betreuer*innen.
Weiterentwicklung Rahmenvertrag Interdisziplinäre Frühförderung
Bei den Gesprächen der Vertragsparteien der Interdisziplinären Frühförderung standen 2020 überwiegend Fragestellungen im Zusammenhang mit der Pandemie im Vordergrund. Seit Ende 2020 wird wieder konsequent an der BTHG-konformen Weiterentwicklung des Rahmenvertrags gearbeitet.
Die Vertragsparteien konnten zwischenzeitlich einen Entwurf zur Förder- und Behandlungsplanung weitgehend konsentieren. Ein von der Arbeitsstelle Frühförderung eingebrachter Kompromissvorschlag greift die gesetzlich geforderte ICF-Orientierung auf und kann von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) mitgetragen werden. Die Zustimmung der KVB erfolgte jedoch vorbehaltlich einer Einigung mit den Krankenkassen zur künftigen Höhe der Vergütung der Ärzt*innen.
Die Verbände brachten einen Vorschlag für das neue, zusätzliche Leistungsangebot "Interdisziplinäre Gruppe" ein. Aktuell diskutiert die Verhandlungsrunde inhaltliche und strukturelle Fragen hierzu. Es ist noch offen, ob ein entsprechendes Angebot in den Rahmenvertrag aufgenommen werden wird.
Bereits 2018 forderten die Verbände der Leistungserbringer fallbezogene und fallübergreifende Koordination und Kooperationen stärker im Rahmenvertrag zu verankern und die Finanzierungssystematik konsequent anzupassen. Beim letzten Verhandlungstermin im Februar 2021 erklärten nun beide Leistungsträger, dass keine zusätzliche Vergütung für Vernetzungsarbeit erforderlich sei. Die Verbände werden nun das Sozialministerium, in dessen Auftrag die Verhandlungsrunde einberufen wurde, um Moderation bzw. Vermittlung bitten.
Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) fördert auf Grundlage des § 32 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) die EUTB mit 58 Mio. Euro jährlich bis 2022. Mit dem Angehörigenentlastungsgesetz wurde die Weiterfinanzierung über 2022 hinaus dauerhaft gesichert.
In Bayern hat sich ein Angebotsnetz von ca. 100 Stellen entwickelt, mit unterschiedlichen Beratungsschwerpunkten. Alle verbindet die Vorgabe, das sog. Peer-Counseling, der Beratung von Betroffen für Betroffene, umzusetzen. Auf diese Weise konnten die EUTB-Stellen entsprechende Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen schaffen und die bisherigen Beratungsangebote ergänzen.
Allerdings gibt es zunehmend Problemanzeigen, die aktuell in einem gemeinsamen Schreiben der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammengefasst an das StMAS geschickt wurden. Angemahnt wurde u.a. die zu hohen administrative Vorgaben und Anforderungen, die über die Anforderungen der Förderrichtlinie hinausgehen, fehlerhafte Bescheide und viel zu lange Bearbeitungszeiten, unterschiedliche Budgetansätze und fehlende Transparenz bis hin zu Eingriffe in die fachliche Konzeptionen. Das führt zu Einstellungen mancher Beratungsstellen. Dieser Vorgang zeigt sich auch bereits in Bayern.
Während der Corona-Pandemie können die Beratungen auch digital stattfinden, per E-Mail, per Messengerdienste, Chat oder auch Video-Telefonie. Bezüglich des Datenschutzes und zu zuwendungsrechtlichen Aspekten wurden über die "gsub - Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung mbH" eine Reihe von FAQ zum Umgang mit den Folgen der Corona-Pandemie erarbeitet.
Zuständigkeit im StMAS:
Dorothee Zwintz
Leiterin Referat IV 4
Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben
Tel.: 089 1261-2315
Bayerisches Teilhabegesetz - Teil II (BayTHG II):
Die Stufe 2 des Bayerischen Teilhabegesetzes (BayTHG II) stellt in weiten Teilen lediglich die landesrechtliche Umsetzung der durch das BTHG bereits vorgegebenen Überleitung bestehender und neuer Regelungen aus dem SGB XII in das SGB IX zum 01.01.2020 sicher. Diese Umsetzung wurde in einer Anpassung des "Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG)" geregelt. Weitere, laut BTHG ebenfalls über Landesrecht zu regelnde Umsetzungsschritte konnten - corona-bedingt - jedoch erst Mitte des Jahres 2020 über eine Änderung der "Verordnung zur Ausführung der Sozialgesetze (AVSG)" erfolgen.
Dies ist zum einen die gesetzliche Institutionalisierung einer zusätzlichen und paritätisch besetzten "Arbeitsgemeinschaft zur Förderung und Weiterentwicklung der Strukturen der Eingliederungshilfe", in der die unterschiedlichen Behinderungsarten vertreten sind. Die Caritas hat hier gemeinsam mit den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege eine entsprechende Stellungnahme abgegeben. Dem Vorschlag zur Erstellung einer Geschäftsordnung wurde entsprochen. Der Vorschlag, auch das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr neben dem StMAS und dem StMGP an Sitzungen und Beratungen der Arbeitsgemeinschaft zu beteiligen, wurde nicht berücksichtigt.
Daneben wurde durch die Änderung der AVSG die Überführung der landesrechtlichen Vorgaben zum Verfahren zur Erarbeitung des Instruments zur Bedarfsermittlung sowie von inhaltlichen Kriterien, die dieses Instrument im Rahmen des Gesamtplanverfahrens erfüllen muss, aus dem Sozialhilferecht in das Recht der Eingliederungshilfe geregelt. Dies knüpft inhaltlich an die bereits bestandenen Regelungen zum Instrument zur Bedarfsermittlung über das BayTHG I an.
Weiterarbeit am Landesrahmenvertrag
Die Teilnehmer der AG Verhandlungen haben sich Ende Dezember 2020 dafür ausgesprochen, am neuen Landesrahmenvertrag weiterzuarbeiten. Als Basis soll weiterhin der Rahmenvertrag aus Nordrhein-Westfalen, insbesondere hinsichtlich Struktur und Inhalt, dienen. Nach wie vor können jedoch auch neue Impulse aus anderen Bundesländern, z.B. Baden-Württemberg oder eigene Ideen diskutiert und eingebracht werden.
Um mit der Arbeit am Rahmenvertrag schneller und fachlich fokussierter voranzukommen, hat sich die AG Verhandlung für vorerst fünf Arbeitspakte entschieden, die von paritätisch besetzten Arbeitsgruppen, unter Einbindung der LAG Selbsthilfe, bearbeitet werden.
- Folgende Schwerpunkthemen wurden festgelegt:
- Investitionskosten
- Qualität und Wirksamkeit, Prüfungen
- Teilhabe an Bildung, Leistungen für Kinder und Jugendliche, Grundsätze einzelner Leistungsformen
- Teilhabe am Arbeitsleben, Grundsätze einzelner Leistungsformen
- Soziale Teilhabe, Grundsätze, Assistenzformen, neue Fachleistung, insbesondere im gemeinschaftlichen Wohnen
Die Arbeitsgruppen haben den Auftrag, u.a. auf der bestehenden Struktur des NRW-Rahmenvertrags Inhalte zu überprüfen und ggf. neu erarbeiten, ihre Erkenntnisse und Empfehlung an die AG Verhandlungen zurück zu koppeln und in einem möglichen weiteren Schritt an ggf. notwendigen Rahmenleistungsvereinbarungen zu arbeiten, bei der die Verknüpfung zur Bedarfsermittlung sicherzustellen ist.
Alle Arbeitsgruppen werden sich bis zur nächsten Sitzung der AG Verhandlungen am 24.03.2021 treffen, um ihre Arbeitsaufträge zu sichten und eine Zeitabschätzung zu geben.
In der letzten Sitzung der AG Verhandlungen waren die drei Projektleitern/in (Frau Zeiler, Herr Fasel, Herr Fack) des Bayerischen Bedarfsermittlungssystems (BiBay), zu Gast. Sie gaben der AG Verhandlung einen Zwischenbericht zu den Erfahrungen und den gewonnenen Erkenntnissen mit dem BiBay, insbesondere im Rahmen von Schulungen. Die Projektleitungen waren eingeladen worden, um die wichtige Verzahnung der Bedarfsermittlung mit der künftigen Leistungssystematik/-gestaltung und Finanzierung im neuen Rahmenvertrag und möglichen neuen Rahmenleistungsvereinbarungen sicher zu stellen. Auch künftig soll ein Austausch zwischen der Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung eines Bedarfsermittlungsinstrumentes für Bayern (sog. AG 99), insbesondere hinsichtlich des BiBay und der AG Verhandlungen stattfinden.
Neue Fachleistung/Leistungssystematik
Die bereits geplanten Vorbereitungen und Gespräche bzgl. der personenzentrierten Ausrichtung und Umstellung der Leistungserbringung aufgrund der Vorgaben des BTHG wurden im März 2020 durch die Ereignisse der Corona-Pandemie abrupt unterbrochen. Im weiteren Verlauf war es sowohl den Verbänden der Leistungserbringer als auch den Leistungsträgern nur sehr eingeschränkt bis gar nicht möglich, neben dem erforderlichen Krisenmanagement zur Bekämpfung der Pandemie in den Einrichtungen und Diensten mit derselben Taktung an der Umsetzung des BTHG in Bayern weiterzuarbeiten. Dies wirkte sich auch auf die Fortführung der Arbeit in den Arbeitsgruppen der Caritas und der FW zur neuen Fachleistung aus. So mussten bereits geplante Arbeitstreffen zunächst verschoben und schlussendlich abgesagt werden, da diese zum einen nicht in Präsenz stattfinden konnten und zum anderen keine Expertinnen und Experten aus der Praxis hierfür zur Verfügung standen.
Dennoch haben sich die Verbände der Leistungserbringer mit den Bezirken im vierten Quartal 2020 auf einen vorläufigen Fahrplan zum Fortgang der Arbeit an der Umsetzung des BTHG in Bayern geeinigt. Dieser wird - Stand heute - trotz der inzwischen eingetretenen zweiten Pandemie-Welle auch weiterhin konsequent verfolgt. Er beinhaltet u.a. auch die Arbeit an dem Leistungskomplex "Soziale Teilhabe" mit den damit verbundenen Fragen- bzw. Aufgabenstellungen im Zusammenhang mit Assistenzformen, Grund/Basisleistung, Basis-Fachleistung, Individualleistung usw.
Dafür hat die AG Verhandlung nun eine paritätisch besetzte Arbeitsgruppe eingerichtet (s.o.) und die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege haben ihre Arbeit in der Unterarbeitsgruppe "Neue Fachleistung" ebenfalls wieder aufgenommen. Dabei wird von den bis Anfang 2020 erzielten Ergebnissen und konsentierten Positionen ausgegangen. Diese wurden in unserem Newsletter vom 2. November 2019 bereits ausführlich dargestellt und den Bezirken auf einer Klausurtagung Ende Januar 2020 auch noch präsentiert.
Wir werden deshalb zeitnah auch unsere Caritas-internen Arbeitsgruppen zu diesem Themenkomplex reaktivieren. Diese sollen dann gemeinsam und prozessbegleitend an diesen Aufgabenstellungen weiterarbeiten.